Dienstag, 9. April 2024

Hilft Radiosondenjagd gegen Finsternissucht?

Am 8.4.2024 findet in den USA eine totale Sonnenfinsternis statt. Die Totalität dauert immerhin mehr als vier Minuten. Leider kann ich diesmal nicht hinfahren. Und für einen Eclipse Junkey ist das hart.  Ich versäume immerhin so etwas:

Finsternis 2008


Soll ich mir am Nachmittag und Abend einen der reichlich vorhandenen Livestreams reinziehen? Nein! Die haben mit der Realität so wenig zu tun, dass man sich nur ärgert. Der ganze Zauber des größten Himmelsschauspiels auf Erden ist auf einem Video nicht vermittelbar. Am Morgen sehe ich, dass die Werbedisplays an den S-Bahnhöfen im 2-Minuten-Takt auf das in Europa unsichtbare Ereignis aufmerksam machen - mit einem Video einer ringförmigen Sonnenfinsternis. Das ist ungefähr so, als wenn man einen Vorbericht zum Endspiel der Fußball-WM mit einem Handballspiel der Kreisliga unterlegt...Meine Stimmung sinkt.

Hilft geben den Finsternisentzug wenigstens eine Ablenkung in Form einer gepflegten Sondenjagd? In letzter Zeit gab es allerlei Meppentandems aus DFM17 und RS41. Sowas wäre doch nett. Aber sie landeten meist weit entfernt, alle wurden schnell abgegriffen oder von nicht eintragenden anonymem Zeitgenossen (NEAZ) beim Abreißen des Fallschirms im Wipfel einer Fichte in 35m Höhe versenkt, wie diese DFM17 im Wald bei Dangensern...

 

D23055899, die Schnüre sind gespannt wie ein Flitzebogen. Nach links geht es zum nicht mehr vorhandenem Fallschirm, nach rechts zur unsichtbar eingeklemmten RS41.

Nein, ein Tandem ist noch übrig: Zwischen Rotenburg/Wümme und Verden/Aller liegt es womöglich auf freiem Feld. Wenn es denn nicht bereits einer unheimlichen Begegnung mit einem NEAZ zum Opfer fiel. Warum also nicht nachgucken? Mit einem Deutschlandticket kostet eine Tour nach Rotenburg nichts extra, und 15km Faltradfahren (pro Richtung) sind bei dem fast schon sommerlichen Wetter eine feine Sache. Und das Strampeln soll auch gegen Finsternis-Entzug helfen. Sagt man.

Sondentyp: Tandem (DFM17 und RS41-SGP)
SN:
23(163)035251 (DFM17) und U3260320 (RS41)
Frequenzen: 403.049 (DFM17) und 404.5 MHz (RS41)
Timerkill: keine
Startstation:
Meppen (WMOID:10304)
Produktionsdatum: 2023-06-12 (DFM), 2022-08-13 (RS41)
Flugdatum: 4.4.2024 05:00Z
Track wettersonde-radiosondy-Mix
Maximale Höhe: 25955m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.65 m/s 
Landegeschwindigkeit: 4.3 m/s
Landestelle: Heidkrug
LAT, LON:
53.01545,9.282178 Google Maps
Status: Geborgen am 8.4.2024, 15:22UT

Methode: Tawhiri-Prediction und Extrapolation nach radiosondy.info-Daten. 

Kurz mal die Chancen prüfen: Tawhiri und Extrapolation liegen erschreckend weit auseinander. Allzu genau kann die Vorhersage nicht sein. Allerdings liegen die beiden Vorhersagen auf einer geraden Linie zur letzten Position. Das bedeutet, dass zumindest die Flugrichtung ziemlich gut definiert sein dürfte. Das Gelände dazwischen ist laut Google-Maps Weide oder Wiese. Zwei Feldwege kreuzen die Flugbahn: Der südliche halbwegs zwischen Tawhiri und Extrapolation, der führt mitten durch den wahrscheinlichsten Bereich. Der andere verläuft weiter nördlich in der Gegend der Extrapolationslösung. Vielleicht kann man von den Wegen aus Ausschau nach dem Gespann halten.

Angesichts der Wiesen brauche ich wohl kein Baumbergegeraffel. Die Landegeschwindigkeit war gering, und der südliche Weg wird von Knickbäumen flankiert. Daran kann das Tandem gut hängegeblieben sein. Also wird doch lieber eine 10m Stange auf die Tasche geschnallt, damit ich am Ende nicht hilflos unter einem Haselstrauch scheitere. 

Obwohl gerade die Rushhour beginnt, ist der Metronom nach Bremen keineswegs überfüllt. Der durch das Deutschlandticket verursachte Megarun auf die Öffis scheint abzuflachen. Das Rad fliegt in eine Ecke neben den Sitzen, man selbst findet einen Sitzplatz. Unerwartet hält der Zug in Rotenburg auf dem Gleis 6, so dass ich sofort auf der richtigen Seite der Gleise aussteigen kann. Es kann instantan losgehen, ich muss nur das Fahrrad ausklappen und bin auf dem Weg.

In dieser Jahreszeit muss man beim Radfahren nur mal ein wenig die Ohren aufsperren. Da die verschiedenen Singvögel zeitlich versetzt aus dem Winterquartier zurückkommen, kann man leicht den Status des Frühlingsbeginns ermitteln. Ja, der Fitis ist unüberhörbar wieder da! Hatte dieses Jahr noch keinen gehört. Was mich komplett umhaut ist die Tatsache, dass Anfang April die Rapsblüte bereits im vollen Gange ist. Zwei Rekord-Mild-Monate in Folge machen es möglich.

 


"Sie haben Ihr Ziel erreicht", meint mein Fahrradnavi auf Locus. Gemeint ist die Stelle, wo die beiden genannte Feldwege von der Straße in die Landegegend abzweigen. Ich wähle den südlichen.

Ich habe mir zur Gewohnheit gemacht ca. 150m vor der Landestelle abzusteigen und zu schieben. Man sollte beim Radfahren nach vorne gucken und nicht in die Landschaft. Ich bin geschockt, wie hoch die Knickbäume sind. Nicht das erwartete Haselgesträuch, sondern hohe Eichen und Buchen. Im Ernstfall ist fraglich, ob die 10m Stange reichen würde. Aber in den Bäumen ist auf den ersten Blick nichts zu sehen, ebenso wenig auf den Wiesen Richtung Norden. Allerdings ist ebenfalls schockierend, wie nass der Boden auf den Wiesen noch immer ist.
 

Ein wunderschönes offenes Gatter befindet sich genau an dem Punkt, wo die vermutete Fluglinie den Weg schneidet. Ich lehne das Rad an und beginne mich gründlicher umzuschauen.



Ich lasse meine Blicke nach Süden schweifen - da fällt mir sofort ein Fremdkörper im Gelände auf, ca. 60m vom Weg entfernt. Das Fernglas habe ich schon herausgekramt. Ja, das sieht schwer nach einem Ballonrest aus. Und daneben liegt ein kleiner roter Bundeswehr-Schirm. Kein Irrtum möglich! Dass es so einfach werden würde, hatte ich nicht erwartet. Allerdings muss man beim Laufen auf diesem Gelände sehr genau nach vorne gucken und etwas Erfahrung mit Matschwiesen haben. Der direkteste Weg ist nicht immer der beste. In Ermangelung von Gummistiefeln müssen Wanderschuhe reichen - und sie reichen. 

 





Oha, um die Bundeswehr steht es schlecht. Das schwarze Tape in Meppen ist alle.




Und die Sonnenfinsternis? Ein Drama von Astrofreunden kriegt man am Rande digital mit. Caro und Dominik sind vom klimatisch favorisierten Texas fluchtartig nach Arkansas gefahren, um irgendwelche Chancen auf gutes Wetter zu behalten. Climate is what you expect, weather is what you get. Am Morgen schien die Sonne. Aber schon mussten sie in letzter Minute nochmals fliehen, um erneut einer heranrasenden Wolkenfront auszuweichen. Mit Erfolg. Am Ende stehen sie im Mondschatten bei bestem Wetter. Beide sind auch Sondenjäger, und sie hätten sogar reiche Beute machen können. Denn während der Finsternis starteten USA-weit jede Menge Wetterballons, überwiegend mit DFM17-Radiosonden. Auf Sondehub sah das so aus: 


Aber am Finsternistag denkt man natürlich nicht an Radiosonden. Als ich nach Hause komme, erreichen mich schon die ersten Finsternisfotos der Freunde.

Fazit: Hilft Sondenjagd gegen Finsternissucht? Nicht wirklich! War es trotzdem ein spannender Tag? Definitiv!


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Montag, 1. April 2024

Café uppen Barg - sehr zu empfehlen

In der Nacht auf Ostern ist die Bergener Sonde bei Klein Pampau an einem Waldrand gelandet. Ich fahre los. Wenn man schon mit dem Auto unterwegs ist, macht es Sinn ein paar Baumlander und Kaltsonden der Gegend zu checken. Am frühen Nachmittag sollte man derweil die Bergener 12Z Sonde im Auge behalten. Die Vorhersage sieht sie zwar südlich der Elbe, aber man weiß ja nie.

Über die B404 und die Berlin-Autobahn bin ich schnell an der Landestelle der Bergener Nachtsonde. 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
U3230750
Frequenz:
405.7 MHz
Timerkill: 5:00 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Produktionsdatum:2022-08-22
Flugdatum: 31.3.2024 00:00Z
Track wettersonde
Maximale Höhe: 32900m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.12 m/s 
Landegeschwindigkeit: 8.1 m/s
Landestelle: Klein Pampau
LAT, LON:
53.505712,10.60182 Google Maps
Status: Geborgen am 31.3.2024, 10:26UT

Methode: Extrapolation nach wettersonde.net-Daten. 

Die letzte Position liegt über einem Wäldchen. Die Tawhiri-Prediction ist komplett unplausibel. Die Extrapolationslösung liegt ganz knapp am Waldrand auf der angrenzenden Koppel. Gespannt wandere ich 600m einen Feldweg herunter und dann am Rand eines Rapsfeldes in Richtung auf die Landestelle. Der Fallschirm ist schon von Weitem sichtbar. Und auch die Sonde hat es knapp auf den Acker geschafft; das Mitschleppen der Teleskopstange hätte ich mir sparen können. 



 



Nach dieser einfachen Bergung steht eine Fahrt nach Wangelau auf dem Programm. Dort hängt im Forst Bornhorst seit einem Jahr die Sonde U2420246 im Baum. Axel hatte damals nur den Fallschirm lokalisieren können. Ich konnte nach langer Suche im Gelände mehr als einen Monat nach dem Flug die Sonde 20m hoch in einer Lärche erspähen. Zuletzt war ich am 23.12. vor Ort. Seither hat es ein paar Stürme gegeben, vielleicht liegt sie ja inzwischen am Boden. 

Mit dem Fahrrad konnte ich bisher fast bis zur Landestelle fahren. So ein Drive-In ist mit dem PKW nicht möglich. So schultere ich wieder sicherheitshalber die 15m Stange und mache mich auf den 2km langen Fußweg. Leider ist vor Ort die Situation unverändert, die Sonde hängt immer noch oben. Allerdings pendelt sie an einer langen Schnur, was hoffen lässt.

Derweil meldet sich Jürgen. Er ist ein Sternfreund aus meinem Astroverein und eifriger Sondensucher. Er wohnt nicht weit entfernt. Er hatte die Radiosonden-Situation nach dem Osterfrühstück erforscht und ist ein wenig enttäuscht, dass die für ihn aussichtsreiche Nachtsonde schon geborgen ist. Er würde aber durchaus an Ostern gerne "Eier" suchen, nimmt aber richtig an, dass ich noch in der Gegend unterwegs bin. Er hat bereits die Bergener Mittagssonde im Auge, die in 20km Höhe ganz gut Strecke macht und es vielleicht doch in unsere Nähe schaffen könnte. Ich schreibe ihm, dass ich sowieso erst einmal zurück zum Auto wandern muss. Er solle sich keinen Zwang antun, und wir könnten ja in Verbindung bleiben. "Wir sehen uns dann vielleicht an der Landestelle". 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
U3230949
Frequenz:
405.7 MHz
Timerkill: 5:00 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Produktionsdatum:2022-08-10
Flugdatum: 31.3.2024 12:00Z
Track radiosondy
Maximale Höhe: 32653m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.04 m/s 
Landegeschwindigkeit: 2.4 m/s
Landestelle: Breitenfelde
LAT, LON:
53.69798,10.58053 Google Maps
Status: Geborgen am 31.3.2024, 13:49UT gemeinsam mit Jürgen Wruck

Methode: Decodierung des GPS-Signals mit TTGO

Zurück am Auto guck ich auf wettersonde.net. Der Ballon kommt gut voran und dürfte bald platzen. Ich rufe mal Jürgen an. Er kommt gerade vom Osterspaziergang zurück. Wir telefonieren in der Folge noch mehrfach und beschließen, in Kontakt zu bleiben. 

Der Ballon platzt. Mein TTGO hat das Signal auch schon erfasst. Laut RDZsonde-Prediction liegt die Landestelle in jedem Fall nördlich von Schwarzenbek. Dort kenne ich das  Dorf Grove, ich tippe es als Ziel ins Navi und fahre los. In Grove befasse ich mich wieder mit der Lage und konferiere mit Jürgen. Da die B207 Richtung Norden gesperrt ist, geht es über die Dörfer. Und am Ende stehe ich direkt südlich von Basthorst. Dort wohnt Jürgen. 

Wir verabreden uns kurz bei ihm zu Hause und laden auf seinen PKW um. Die Vorhersage der Landstelle springt derweil im Raum Breitenfelde herum. Ein paar Minuten nach der Landung mitten im Ort sind wir schon wieder in Empfangsreichweite. Man hört sie auf Jürgens Handfunke, und auch ich kann dem TTGO Positionen entlocken. Jürgen parkt das Auto nahe der Esso-Tankstelle, wir springen heraus und erkunden die Lage. Die Position ist an einer Hauswand direkt an der Bundesstraße. Die Schnur ist auch sofort gesichtet. Sie kommt von einem Dach und endet auf dem Fußweg. Der Fallschirm ist weg - wahrscheinlich lag er auf der Bundesstraße und wurde von einem Auto abgerissen. Das Signal ist aber noch vorhanden, und da sehe ich auch die Sonde 30cm über dem Boden an der Fassade des Hauses baumeln. Jürgen versucht die Besitzer zu kontakten, aber niemand ist da. Wir schnappen uns die Sonde und raffen die Stolperschnur auf dem Gehweg zusammen. 

 



 

Und was machen wir jetzt? Jürgen erinnert daran, dass vor 3 Tagen eine Bergener Sonde auf einem Swingolf-Platz in Bergrade gelandet ist. Bisher ist sie nicht geborgen, und wir sind ja schon auf dem halben Weg. Da könnten wir ja mal vor Ort recherchieren. 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
U3240106
Frequenz:
405.7 MHz
Timerkill: 5:00 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Produktionsdatum:2022-08-11
Flugdatum: 28.3.2024 12:00Z
Track wettersonde
Maximale Höhe: 32837m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.21 m/s 
Landegeschwindigkeit: 6.3 m/s
Landestelle: Bergrade
LAT, LON:
53.69798,10.58053 Google Maps
Status: Geborgen am 31.3.2024, 14:53UT Sonde wurde von Besitzern des Swingolfplatzes geborgen und Jürgen Wruck und mir übergeben.

Methode: Extrapolation nach wettersonde.net-Daten. 


Über die Dörfer geht es nach Bergrade. Der Swingolf-Platz ist leicht zu finden. Die Prediction-Position ist von einem öffentlichen Weg einsehbar. Dort kann Jürgen sogar ein paar Latexfetzen abgreifen. Von der Sonde keine Spur. Da der Rasen von vielen Swingolfern frequentiert ist und auch kürzlich gemäht wurde, bleibt hier nichts lange liegen. Immerhin sind wir am richtigen Ort.  Also fragen wir mal "die Chefs" der Anlage. 

An der Rezeption ist ein Café mit sehr leckerer Konditorei aufgebaut. Und da riskieren wir die Frage. Ob sie "sowas" gefunden hätten. Jürgen hält die frisch geborgene Sonde hoch! Und die Antwort ist ein klares "Ja"! "Die hat mein Mann gerade in die Mülltonne geworfen". Und derselbe Mann fischt die Sonde aus Tonne, und die Besitzerin übergibt uns die Beute feierlich. Wir erstehen ein paar leckere  Tortenstücke für das Teetrinken nach der Rückfahrt. Folks, hier mein Kommentar zum  Café uppen Barg in Bergrade: Selbst für Swingolf-Muffel sehr zu empfehlen, auch wenn sie mal keine Radiosonde im Angebot haben sollten.

 




Auf dem Rückweg fahren wir noch bei der Radiosonde T3350325 (Schleswig 12Z vom 17.7.2022) vorbei. Leider hängt sie immer noch an einem langen Schnurstück in der Eiche. Zurück geht es nach Basthorst, wo wir nett Tee trinken und den sehr leckeren Kuchen vom "Café uppen Barg" vertilgen. Jürgens Frau macht uns darauf aufmerksam, dass eigentlich keine Teetrinkzeit mehr ist - wir haben die in der Nacht eingeführte Sommerzeit noch nicht verinnerlicht.

Danach mach ich mich auf die Rückfahrt nach Schmalenbeck. Als ich kurz vor Hamfelde an einer Wiese vorbeifahre, traue ich meinen Augen nicht: Da hetzt eine Graugans ein Reh über die Wiese! Mit einer Mischung aus Flattern und Fliegen ist der Vogel schneller als das Reh und kann es gelegentlich auch mal zwacken. Das Reh findet keine rechten Mittel gegen die Gans! Ich kann das weitere Drama nicht verfolgen, da ich mich ja auf den Verkehr konzentrieren muss. Es ist ja bekannt, dass Gänse ihr Revier recht herzhaft gegen Eindringlinge verteidigen, aber so etwas habe ich noch nie gesehen.


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Samstag, 23. März 2024

3-Wetter-Taft nach 2040 Tagen leer

Sondentyp: DFM09
SN: 17008862
Frequenz: ? MHz
Startstation: bei Bergen (Manöver)
Flugdatum: 22.8.2018 15:06 LZ
Timerkill: -
Track eigene Daten
Landestelle Sülbeck, LAT LON: 53.268155,10.553033 Google Maps
Status:Baumlander, von unten sichtbar, 25m hoch.
Geborgen 2040 Tage nach dem Flug am 23.3.2024, 9:18 UT

Methode: Tawhiri-Prediction auf Basis eigener Daten; abwarten und Tee trinken.

Jede normale Sonde fällt auf Dauer vom Baum. Einige aber nicht, sie trotzen den Elementen und bleiben eisern oben. Physikalisch orientierte Zeitgenossen definieren diese ewigen Baumlander eben als Naturkonstanten.  Andere Experten halten es lieber mit der Chemie. Sie behaupten, dass sie vor dem Start heimlich jede Menge "3-Wetter-Taft" getankt haben, viel hilft viel.  "Sülbeck und Klecken 15 Uhr: Jahrhundert-Orkan! Die Frisur hält!" Ein krasser Fall dieser Art war N3340159 im Klecker Wald, die sich nur mit einem gekonnten Angelwurf und viel Gewalt herunterholen ließ. 17008862 ist ein ähnlicher Kandidat. Hier eine kurze Zusammenfassung aus lauter einzelnen Blogeinträgen seit 2018: 

22.8.2018 15:06 UT: Eine DFM09 Manöversonde aus dem Raum Bergen landet im Wald östlich von Lüneburg, unweit der Busstation "Sülbeck, bei den Eichen". Radiosondy meint zu dem alten Schätzchen: 

Da gibt es nichts zu überprüfen. Wetterson.de hatte die Sonde wahrscheinlich auch nicht, sonst hätte ich mir die Daten abgespeichert. So segelte dieses Exemplar am Internet vorbei. Zum Glück konnte ich die Sonde damals bis in 160m GPS-Höhe mit einer Yagiantenne und einem SDR-Stick vom Balkon in Altona mitschneiden und per Zilog decodieren. Sonst wäre die Story hier zu Ende gewesen.

 


30.8.2018: Erste Suche im Landegebiet. Nach der Bergung einer RS41 fuhr ich nach Lüneburg, und dann bereits mit dem Faltrad nach Lentenau, wo ich N2240718, eine Bergener Hartplastik-RS41 bergen konnte. Mit dem Rad ging es weiter nach Sülbeck, und von da in den Wald. Der Bericht von damals war frustrierend: "Die Prediction von 17008862 sollte ähnlich gut sein, aber ich konnte die Sonde nicht finden. Entweder hatte die schon andere Freunde gefunden, oder sie hing in dem sehr dichten Laubdach des Buchenwaldes. Man hatte wenig freien Blick in die Wipfel. Vielleicht lohnt sich eine Nachsuche nach dem Blattfall." Ohne den Entschluss, nach dem Blattfall wiederzukommen und das Vertrauen in die Prediction, wäre die Story hier zu Ende gewesen.

30.12.2018: Erneute Suche. Diesmal entdeckte ich den Fallschirm, konnte aber die Sonde nicht entdecken. Immerhin, wir robben uns ran!

7.9.2019: "am Boden lag auch mehr als ein Jahr nach dem Flug nichts herum, und der Fallschirm im Baum war nicht mehr rot, sondern komplett ausgeblichen." Von der Sonde wieder keine Spur.

22.2.2020: Auf dem Rückweg von einer Seedorf-DFM-Bergung steige ich spontan an der Bushaltestelle "Sülbeck, An den Eichen" aus. Da ich eigentlich mit der Sonde abgeschlossen hatte, wäre ohne diesen plötzlichen Impuls die Story hier zuende gewesen. 

Von dort ist die Landestelle sehr leicht zu Fuß erreichbar, und mitgebrachte Räder lassen sich dort bequem anschließen. Immerhin kann ich die Sonde erstmals in einer Lärche entdecken, 20-25m hoch und 20m neben der Prediction. Die Sonde war, wenn man sie erst einmal entdeckt hatte, sogar recht gut erkennbar. Die Lärchen werfen ihre Nadeln im Spätwinter ab, und bisher verdeckten sie den Blick in den Wipfel. 


 

 

Afokales Foto durch den Feldstecher

19.8.2020: Lage unverändert.

23.1.2021: Ohne Nadeln sieht man mehr. Mal wieder ein Foto zur Winterzeit!




14.3.2021: Nach 2 Frühjahrsstürmen ist die Situation leider unverändert....Die Sonde hängt nicht mehr an der Schnur, sondern die Schnur ist im Geäst verhakt. Überhaupt sind DFM-Schnüre viel haltbarer als die von Vaisala.

11.12.2021:  Sonde hängt an einem dünneren Ast etwas tiefer.

13.3.2022: Check der Sonde - Lage unverändert. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich bei diesem Besuch versucht, im Arne-Stil mit einer Angelrute eine Schnur einzuwerfen - bin aber kein Arne.

28.4.2022: Eine frisch gelandete DFM09 bei Holzen eingesammelt. Nach langer Radtour die Bushaltestelle "An den Eichen" angesteuert, um dort mit dem letzten Bus die Rückreise zu starten.  "Dort habe ich noch 50 Minuten Zeit. Genug, um eine kalte DFM09 zu besuchen, die dort seit 2018 im Wald in einer Lärche hängt. Ich war erst vor ein paar Wochen da. Auf dem Boden liegt sie nicht, und den Blick nach oben versperren die sprießenden Nadeln und die Blätter der Umgebung. Ich kann mich nicht lange aufhalten und wandere zurück zur Bushaltestelle. Bus und Bahn bringen mich diesmal problemlos zurück nach Hamburg. "

9.10.2022: Auf dem Weg zwischen zwei Bergungen wieder mal Sülbeck angesteuert: "Ich kann das inzwischen graue Gehäuse nur mit Schwierigkeiten sichten, sie ist immer noch oben und hängt leider ziemlich verhakt zwischen jungen Ästen. Mal sehen, was nach dem Nadelfall passiert".

16.4.2023: Lage eher schlechter: "Die DFM09 von 2018 hängt natürlich immer noch im Baum. Ich kann mir das Ganze aber mal im Hinblick auf eine zukünftige Bigshotaktion angucken. Ein passender Ast ist vorhanden, aber leider hängt die Sonde in dem kurzen Gezweig darunter. Das wird schwieriger, als es auf den ersten Blick aussieht."

Ich bin nicht sicher, ob diese Liste alle meine Besuche bei der Sonde erfasst, es könnten auch mehr gewesen sein. Falls es stimmt, startet am 23.3.2024 der verflixte 13. Besuch, 2040 Tage nach der Landung. U1240374, eine wahrscheinlich verlorene RS41 bei Echem, soll vor dem Sprießen des Laubes noch mal überprüft werden, und die Uralt-DFM vor dem Sprießen der Nadeln. Der Metronom nach Lüneburg baut eine politisch bedingte Verspätung auf, als in Harburg mal wieder stolze Mitglieder der "Erstmals im Leben Bahnfahren Elite" (ELBE) und ihrer Koalitionspartner von der BRIR (Begehbare Rollenkoffer im Regionalzug) die uneingeschränkte Blockdade aller Türen fordern 💪. Glücklicherweise hat der Bus nach Sülbek auch Verspätung.

Das Faltrad wird wie so oft an der Bushaltestelle angeschlossen, und los geht es in den Wald. Rechts abzweigen, auf den bekannten Weg den Hügel hoch, dann wie üblich am zweiten Jagdstand nochmal rechts. Ein GPS zur Identifikation der richtigen Lärche ist unnötig. Tatsächlich ist die Markierung im Unterholz noch da. Feldstecher raus - wo ist die Sonde? Ich sehe mich im Umfeld um und...

und....????...yeah? .. und !!!!   yeaaah!!!!


 



Dies ist jetzt meine längste Zeit zwischen Flug und Bergung - die Naturkonstante im Klecker Wald haben wir nach 1905 Tagen gewaltsam geändert.

Die Tour bei Schauerwetter zu der anderen Sonde am Rande des Golfplatzes von Echem war übrigens erfolglos. Auf dem Weg beobachte ich aber immerhin Schwarzspechte. Die Hoffnung, dass sie meinen Blicken nur durch das Laub verborgen geblieben war, erwies sich als unzutreffend. Ich vermute - wie schon damals - dass sie schon vor meinem ersten Besuch ein nicht eintragender Sondenjägerkollege eingesammelt hat. Drüben waren damals Fußspuren zu sehen. Das können natürlich auch Golfer gewesen sein, die ihren Ball aus dem Rough befreit haben. Dagegen spricht der heruntergedrückte Zaun direkt an der Prediction.....naja.


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Montag, 18. März 2024

Sondenberger-Auflauf bei Meilsdorf

Eigentlich möchte ich am Sonntag nach der  AKM-Tagung, an der ich online teilnehme, den Nachmittag in Schmalenbeck verbringen. Die Schleswiger Mittagssonde soll westlich von Kaltenkirchen niedergehen, das passt nicht so ganz in den Plan. Die werden sich andere Sondenfreunde schnappen. Dann aber sehe ich, dass die Nachtsonde einen sehr guten Fallschirm hatte und bis nach Dannenberg schwebte - statt Lauenburg. Ich fütter den sondehub-Predictor mit den gleichen Daten. Und was soll ich sagen: Wenn auch die Mittagssonde so langsam heruntersinkt, liegt die Landestelle exakt IN Schmalenbeck. Also widme ich Schleswig 12Z etwas mehr Aufmerksamkeit.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
V2350922
Produktionsdatum: 2023-06-09
Frequenz: 402.5 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Schleswig (WMOID:10035)
Flugdatum: 17.03.2024 12:00Z
Track
wettersonde.net

Maximale Höhe:
31361m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.24m/s

Landegeschwindigkeit:
2.7m/s

Landestelle: Meilsdorf,
LAT, LON: 
53.621266,10.285766, Google Maps
Status:
komplett geborgen am 17.3.2024,14
:14 UT, Patrick, Arne, Axel, Anita, Hartwig....
Methode:
TTGO-Empfang bis zur Landung

Ich sitze noch in der U-Bahn, als der Ballon platzt. Zunächst sieht es nach Kaltenkirchen aus. Dann nach dem Duvenstedter Brook. Dann springt die Prognose weit nach Osten, nach Trittau. Wenn man berücksichtigt, dass die Prognosen in 13000m Höhe fast immer zu weit zielen, sitze ich in Schmalenbeck ziemlich gut!  Als die Prediction stabil im nur 5km entfernten Papendorf steht, fahre ich los. Es wird sowieso eine Zusammenrottung an der Landestelle geben. Da die Prediction über den gesamten Hamburger Nordwesten und Nordosten sprang, hat fast jeder Interesse angemeldet. 

In Siek angekommen, parke ich das Auto und gucke sicherheitshalber auf die Prediction. Sie springt jetzt zwischen Schmalenbeck - da komm ich gerade her -, der Siedlung am Hagen und dem U-Bahnhof Ahrensburg Ost hin- und her. Also bin ich in die falsche Richtung gefahren! Jürgen meint auf Whatsapp, dass sie mir aufs Haus fallen wird. Als ich dort bin - ist die Prediction an der 4. Achtertwiete in Schmalenbeck, 300m westlich meines Hauses. Als ich dort das Auto parke, liegt sie wieder Richtung Osten, zwischen Siek und Meilsdorf. Ich habe die Schnauze voll von diesem Hin- und Hergefahre. Jetzt geht es definitiv nach Meilsdorf. Die Kreuzung Drift/Alte Landstraße passt ziemlich gut. Vor Ort parkt in einer Feldeinfahrt ein Auto - Anita und Axel erwarten bereits die Landung direkt auf dem angrenzenden Acker. Ein Blick auf die RDZsonde-Prediction spricht für diese Theorie. Noch ein Auto hält. Arne und Patrick, beide sind scharf auf ihre erste Live-Landung! 

Die Sonde ist an uns vorbeigeflogen, soll aber laut Prediction umdrehen und uns vor die Füße fallen. Da sieht jemand einen weißen Punkt am Himmel - der DWD-Fallschirm. Die Sonde ist noch in 1km Entfernung - aber auf dem Weg zu uns - sie hält direkt auf uns zu. Arne macht ein sehr "dokumentarisches" Video, aus dem auch mit Bildverarbeitung nicht viel herauszuholen ist. Aber immerhin erkennt man den Fallschirm als weißen Punkt hinter einer Hochspannungsleitung.

Foto: Arne


Fallschirm, Ballonrest, Sonde sind im Feldstecher wirklich gut zu erkennen, zumal die Sonde sich rasch annähert. Die Flugrichtung stimmt!  Mitunter sieht man sogar die Schnur aufleuchten. Die wird doch wohl nicht etwa in der Hochspannungsleitung enden? 

Da nimmt aber leider die Fallgeschwindigkeit ein wenig zu, so dass die Sonde es nicht zu uns schaffen wird, sondern auf mitten einem sehr großen Rapsfeld landet. Das Feld ist für Stormarner Verhältnisse ziemlich groß. Egal von welcher Seite man kommt, sind es zur Einschlagstelle 400-500m. Wir sehen das Gespann hinter einem flachen Hügelzug verschwinden. Patrick rennt los, je nach Sportlichkeit hecheln wir anderen hinterher. Arne und ich erreichen die Landestelle ein paar Minuten nach ihm. Axel lässt seinen TTGO laufen und dokumentiert die Landung und die anschließende Bergung für wettersonde.net. Ganz Sondendeutschland kann live zugucken.

 

Foto: Patrick

 


Natürlich tragen wir uns wie üblich alle in Radiosondy ein. Und ein Gruppenbild reicht auch nicht:

Foto: Patrick


Foto: Patrick

Patrick ist immer noch euphorisch wegen seiner ersten Live-Landung. Die war zwar etwas "long distance"-mäßig, aber live is live. Und so lädt er uns zu einem Kaffee ein, in der Braaker Mühle, wo es einen langen Sondenjäger-Klönsnack vom Allerfeinsten gibt. 


Foto: Patrick



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Freitag, 8. März 2024

Astrohardy ermittelt - der Fall der abgestürzten Sonde

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
V2930781
Produktionsdatum: 2023-07-19
Frequenz: 402.7 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Sasel
(WMOID:10141)
Flugdatum: 07.03.2024 (12:00Z), Startzeit 10:45UT, Landung 10:49UT(!!)
Track
sondehub.org            DWD

Maximale Höhe:
359.8m (!!)
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 3m/s

Landegeschwindigkeit:
-4.3m/s

Landestelle: Poppenbüttel
LAT, LON:
53.64814,10.09822, Google Maps
Status:
Geborgen am 7.3.2024, 13:36UT. Intakter Ballon mit Gasinhalt.

Methode:
Lokalisiert mit Sonden-GPS (TTGO, RDZsonde). Stangenbergung aus Eiche aus 10m Höhe

Gemeinhin startet Sasel Sonden nur am Mittwoch. So bin ich am Donnerstag sehr erstaunt über den Sondenstart um 10:45UT, den ich auf wettersonde.net eher beiläufig registriere. Ich will mit einer Prediction rasch feststellen, wo das ungefähre Zielgebiet ist - da sehe ich, dass die Sonde schon wieder im Abstieg begriffen ist. Tatsächlich erreicht sie nur eine GPS-Höhe von knapp 360 Metern und landet nach ca. 4 Minuten nur 854m vom Startplatz entfernt. 

Leider haben wir derzeit keine besonders gute Abdeckung des Hamburger Raums mit Empfangsstationen mehr. Um ein Haar wäre die Sonde komplett unbemerkt geblieben. Nur Bernd bei Oldesloe konnte Daten der Sonde in Wettersonde.net und Sondehub einspeisen. In Radiosondy.info kam die Sonde gar nicht vor. 

Natürlich wird die Lage in unserer Whatsappgruppe eifrig diskutiert. Ich kann mich nicht so schnell auf Arbeit loseisen und bin erstaunt, dass niemand bei der Landestelle vorbeiguckt. Wegen des Bahnstreiks muss ich auch erst einmal abchecken, ob man mit vertretbarem Aufwand nach Poppenbüttel kommt. Die Antwort: Die S-Bahn fährt diesmal tatsächlich im Rahmen des Notfallplans alle 20 Minuten dorthin. Am Ende fahre ich nach Hause und dann 20 Minuten später - mit einer 13m Stange und allerlei Bergegeraffel bewaffnet - los. Derweil wird der Fall der abgestürzten Sonde schon auf der wettersonde.net-Telegram-Gruppe eifrig diskutiert. Und der ziemlich einmalige Fall, dass nur ein einziger Funkamateur die Sonde den Flug dokumentierte, gibt zu allerlei Frotzeleien Anlass:

 

Für echte "Ermittlungen" muss man erstmal zum "Tatort" kommen. Vom Bahnhof Poppenbüttel sind es nur 800 Meter Fußweg. Eigentlich müsste der TTGO die Sonde bereits empfangen. Aber da ist nichts! Mit einem unguten Gefühl wandere ich los. Erst kurz vor dem Ziel lässt der TTGO doch noch Koordinaten sprudeln. Eine Überschlagsrechnung ergibt, dass die Sonde ca. 10 Meter über dem Boden hängen müsste. 

Die Landezone ist ein Wohngebiet mit Eigenheimbebauung. Ohne Kommunikation mit den Eigentümern geht da natürlich nichts. Bevor man irgendwo auf Verdacht klingelt, sollte man allerdings die Lage gut kennen. Von einem öffentlich begehbaren Fußweg aus ist die Sonde leicht zu entdecken. Sie hängt in einer Eiche über Privatgrund, und die vermutete Bodenhöhe erweist sich als richtig.


Die Schnur müsste in luftiger Höhe über den Fußweg verlaufen, aber ich kann sie nicht ausmachen. Dann sehe ich sie aber auf dem Grundstück auf der anderen Seite des Weges hinter einer Hausecke verschwinden. 

Also wird dort geklingelt. Der Mann ist erst skeptisch und fragt mich, ob ich vom Wetterdienst sei und ich mich ausweisen könne. Diese Frage habe ich bei fast 500 Sonden bisher erst einmal gestellt bekommen. Wie üblich erkläre ich ihm, dass wir das rein hobbymäßig und u.a. aus Umweltschutzgründen tun. Seine Neugier ist geweckt, und er lässt mich ums Haus gehen. Ich kann mich vor Lachen kaum halten, was da unter dem Terrassentisch festgebenzelt ist...

...ein praktisch intakter Ballon mit Gasfüllung. Drinnen ist der Fallschirm fühlbar. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet.

Leider wird die Hoffnung, dass sich die Sonde drüben sich mit der Schnur ablassen ließe, enttäuscht. Die Schnur geht nämlich über einen riesigen Nadelbaum und die Reibung an den Nadeln ist zu groß. Also schneide ich die Schnur durch.

Inzwischen kommt auch die Frau des Eigentümers dazu. Auch sie macht einen interessierten Eindruck. Sie schafft es, durch massives Winken ihre Nachbarn von dem Sonden-Grundstück herbeizurufen. Wieder die Frage nach meiner offiziellen Legimitation, dann auch hier zunehmendes Auftauen nach ein paar Erklärungen meinerseits. Die beiden Bewohner sind im Homeoffice eingespannt und erleichtert, dass ich meine, dass ich die Sonde auch ohne ihre Hilfe herunterbekommen dürfte. Die knappen 10 Meter sollten kein nennenswertes Problem für meine Teleskopstange darstellen. 

Das ganze erweist sich dann doch als etwas schwieriger als gedacht. Die Sonde liegt fast an dem Eichenstamm auf, und es erfordert etwas Konzentration, die Schnur und nicht die feinen reisigartigen Zweige der Eiche einzuhaken.




 Am Ende gelingt es aber doch:




Die LED an der Sonde leuchtet noch! Das bedeutet, dass die Flughöhe nicht ausgereicht hat, dass die Sonde ihren Start registriert hat! Da die Sonde erst nach einem eindeutigen Start ihre Sendeleistung heraufregelt, erklärt das auch das relativ schwache Signal. Inzwischen hat der alte gelbe DWD-Info-Label auch schon einen antiken Flair.

 


Die Grundstücksbesitzer erzählen mir, dass der Ballon ursprünglich auffällig an einem Baum auf dem Nachbargrundstück hing. Die Leute haben dann den Ballon heruntergeholt, auf ihre Terrasse getragen und dort wohl mit der Schnur an ein Stuhlbein geknotet - wo ich den Ballonrest dann vorgefunden habe. Dabei haben sie die Sonde einige Meter nach oben gezogen, aber glücklicherweise nicht zu hoch. Die Inhaber des Sondengrundstücks haben die Sonde im Baum entdeckt und sogar den DWD in Frankfurt angerufen (aber da niemandem mit Wettersondenahnung an den Hörer bekommen). Sie haben es auch mit dem Wiedereintritt einiger ISS-Teile, der durch die Medien ging, in Verbindung gebracht. Jetzt sind sie sehr froh, dass sie von dem obskuren Besucher eine  Aufklärung des an sich harmlosen Sachverhalts erhalten.  

Die "Ermittlungen"  konnten dank einer Öffentlichkeitsfahndung ("RS41 ungelöst") erfolgreich abgeschlossen werden. Zwar konnte nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden, was den Absturz der Sonde bewirkt hat, aber ein "Abschuss" kann wegen der völlig unverletzten Ballonhülle eindeutig ausgeschlossen werden 😁.




Das ganze erinnert mich sehr stark an eine andere Saseler Sonde, P2611286, die 2020 ebenfalls gleich nach dem Start herunterkam. Sie schaffte aber immerhin eine doppelt so weite Strecke und erreichte 745m Höhe. Sie war übrigens die erste Sonde, die ich mit einem TTGO erbeutete - diese kleinen Helfer waren damals noch brandneu. Auch war dieser Ballon ganz normal geplatzt, nur eben in 1700m Höhe.

Dann war da noch P2531126, eine Saseler Sonde aus dem Jahr 2019. Die erreichte immerhin 2900m Höhe und landete nach einem kurzen Flug in Hamburg-Berne. Ich war ca. eine Stunde danach vor Ort, wo nichts mehr sendete und nichts mehr zu finden war. Es gibt Hinweise dafür, dass hier ebenfalls ein intakter Ballon heruntergekommen ist.

Übrigens erfolgte heute in Sasel umgehend ein Nachstart. Diesmal wurde eine Sasel-typische Höhe von 25km erreicht. Und Axel konnte auch diese Sonde in der Wedeler Marsch bergen. Er musste dazu breite Gräben überwinden und erhielt dazu wertvolle Hinweise von Ortskundigen aus unserer Whatappgruppe. 

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier

Nachtrag: Bernd machte mich freundlicherweise darauf aufmerksam, dass der DWD die Sonde natürlich auch empfangen und die Daten auf der Rasomon-Seite bereitgestellt hat. Der Empfang durch den DWD geschieht ausschließlich von der Startstation aus, die ja in diesem Fall nicht einmal einen Kilometer  von der Landestelle entfernt lag. Und daher haben sie sogar Positionen der Sonde im Baum erfasst (Track: hier). Sie haben den Empfang um 10:53UT, also 4 Minuten nach der Landung, abgeschaltet.
Rasomon hat einen Fehler in der Koordinatenaufbereitung, der sich im Laufe eines normalen Sondenfluges
zu beträchlichen Positionsabweichungen aufsummiert (bis zu mehreren Kilometern). Das macht die Seite für den Sondenjäger unattraktiv. Im vorliegenden Fall eines kurzen Hopsers ist der Effekt aber noch nicht relevant, so dass diesmal Rasomon den besten Datensatz lieferte.