Mittwoch, 13. Juli 2016

Blick aus dem Fenster am Arbeitsplatz

Ich guckte am 13.7.2016 aus dem Fenster des Instituts, in dem ich arbeite, und es ergab sich folgender Anblick:

 Vor dem Nachhauseweg wurde das Objekt etwas genauer untersucht. Es war das, was ich schon aus der Ferne vermutet hatte: Im Mammutbaum war ein Wetterballon gelandet:

Leider hing der Fallschirm 10m über Grund, und die Schnur zur Radiosonde verschwand irgendwo in den Wipfeln der Mammutbäume. Da ich davon ausging, dass die Leute im Botanischen Garten auch für Baumarbeiten ausgestattet waren, machte ich auf den Gegenstand im Institutsverteiler aufmerksam und bot jedem, der das Ding "ohne Benutzung einer Kettensäge" bergen würde, einen Kasten Bier seiner Wahl an.

3 Studenten nahmen die Herausforderung an und gingen das Problem mit bergsteigerischen Mitteln an. Am Ende tauschte ich einen Kasten edlern Gerstensafts gegen allerlei Latex-, Styropor- und Elektronikabfälle.
Die Sonde war eine DFM09, und eine Internetrecherche ergab, dass sie von der deutschen Firma GRAW stammte. Ein Zettel der Bundeswehr - handausgefüllt - verriet den Stationscode von Meppen und die Tatsache, dass die Sonde bei ihrer Sichtung schon 2 Tage im Baum hing.


Ich habe dann ein wenig im Internet gesurft. Sehr rasch war festzustellen, dass vor allem Sondenjägerseiten Informationen über diese und andere Sonden lieferten. Also wurde ein SDR-Stick gekauft, Sondemonitor auf dem Notebook installiert, eine Dipol- (und später eine Yagiantenne) gebastelt und Radiosonden in freier Wildbahn verfolgt. Ich war erstaunt, wie gut man auch weit entfernte Sonden mit einfachsten Mitteln per GPS verfolgen konnte Irgendwann kam der Wunsch auf, Sonden zu sammeln - und die Idee, mit einem Astrofernrohr fliegende Sonden zu verfolgen.

UPDATE am 27.1.2017:  In letzter Zeit lese ich auch Seiten anderer Radiosondenjäger und versuche, meine persönlichen Befunde abzugleichen. Auf dieser Seite fand ich Hinweise darauf, dass in der fraglichen Zeit in Meppen mehrfach an die DFM09-Sonde mit einem Stück Tape eine Schnur angehängt und daran eine zweite Radiosonde - eine Vaisala RS92 SGPD, befestigt wurde. Heute habe ich mal die Bremer Radiosondenseite durchstöbert und tatsächlich die zweite Radiosonde im Archiv gefunden.

DFM09-617271 (Bremer Daten, Open Streetmap)

L1633344 (Bremer Daten, Open Streetmap)

DFM09-617271 (Bremer Daten, Open Streetmap, Landestelle markiert)

L1633344 (Bremer Daten, Open Streetmap)


 Damit handelte es sich bei diesem Flug um etwas ganz besonderes: Ein Tandemflug mit zwei Sonden! Die zweite Sonde (L1633344) wurde wohl bei der Bergung abgerissen. Sie ging wahrscheilich verloren oder hängt bis heute in einer Astgabel der Bäume. Ich habe zwar schon ein paarmal die Gegend abgesucht, konnte aber bisher keine Spuren der zweiten Sonde entdecken. Auf jeden Fall werde ich zukünftig die Gegend nach jedem Sturm gründlich absuchen. Aber wahrscheinlich ist die SGP-Sonde bereits längst entsorgt.Etwas wurmt mich der Verlust, aber damals hatte ich einfach noch zu wenig Erfahrung. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass an einem Ballon zwei Radiosonden hängen könnten und habe die Gegend um die Landestelle nach der Bergung nicht noch einmal gründlich durchsucht.


Update am 24.2.2017: Nach einem Sturm sieht man jetzt im Baum eine typische Sondenschnur hängen. Sie ist an beiden Enden im Gestrüpp verhakt, ist aber nicht straff.


 Da hat sich offenbar etwas verlagert. Ob an einem der beiden Enden  eine Sonde hängt, konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen, dazu kann man zu wenig durchs dichte Geäst hindurchgucken. Auch hatte ich heute kein Fernglas dabei. Für meine 8m-Stange ist es wohl etwas hoch. Mal gucken, ob nach dem nächsten Sturm alles am Boden liegt oder ob man wieder zu unkonventionellen Methoden greifen muss... Die nächste Woche wird spannd!

Update 1.3. 2017: Es könnte sein, dass ich die Sonde hoch im Baum mit dem Fernglas gesichtet habe, aber sicher bin ich nicht. Mit einem 8m GFK-Mast habe ich kein Glück, zumal man senkrecht unter dem Baum die Schnur nicht sehen kann.

Update 7.9.2017: Heute bekam ich eine 15m GFK-Stange geliefert. Musste sofort erprobt werden. Konnte die Schnur ergreifen, aber leider war sie an BEIDEN Enden fest. Habe den halben Baum durchschüttelt, und am Ende riss die Schnur....Jetzt kann man nur noch hoffen, dass sie irgendwann von selbst herunterkommt. Ich glaube aber, L1633344 ist komplett umwachsen und nicht vom Baum zu trennen.... Schade

Update 9.9.2017: Inspektion der Lage nach der Operation. der untere Teil der Schnur ist noch da und scheint mit der 15-Meter-Stange greifbar zu sein. Vielleicht sollte man die Lage aber mal vor einem weiteren Eingriff genauer analysieren, z.B. mit einer Kamera an einer GFK-Stange....


Update vom 21.5.2018: Irgendwann musste das mal passieren: Da findet man einen toten Vogel in einer Sondenschnur. Dass es nun gerade der Sondenlandeort sein musste, bei dem bei mir alles anfing, ist besonders traurig.

Nach einem weiteren Sturm war von der Sondenschnur nichts mehr zu sehen, aber eine Sonde lag auch nicht unterm Baum. Naja, ich checke den Platz durchaus regelmäßig. Heute musste ich 2mal kurz ins Institut, und da die S-Bahn gerade weg war, habe ich die Stelle kurz mal inspiziert. Schon letztes Mal waren mir Vogelfedern aufgefallen, die am Fuß des Baumes herumlagen. Jetzt fand ich die Ursache: Ein toter Vogel hing in einer unverkennbaren Sondenschnur in dem Baum, ca. 10m hoch.


Ich nahm heute Nachmittag die 15m Stange mit, und konnte den Vogel herunterholen. Leider riss die Schnur, so dass nach wie vor Schnur im Baum sein dürfte; eine Sonde kam leider nicht herunter.



Ich hatte zunächst an eine Eule gedacht, es war aber eine Ringeltaube; mummifiziert und halb von anderen Vögeln abgenagt. Hier besteht immer die Gefahr, dass ein anderer Vogel (Krähe, Greifvogel) ebenfalls in der Schnur endet. Vogelschützer haben sowas mit Drachenschnüren dokumentiert.

Wenn man bedenkt, dass der Flug im Sommer 2016 war und der tödliche Unfall im Frühjahr 2018, zeigt das deutlich, dass wir Sondenjäger schon etwas Herzblut in die Bergung der Schnüre investieren sollten. Dass wir nicht häufiger über sowas stolpern, liegt daran, dass wir die Sondenlandeplätze meist zeitig nach der Landung aufsuchen, aber die Schnüre sind jahrelang Todesfallen. Man muss auch bedenken, dass in diesem Fall von den vielleicht 40m Sondenschnur 30m entfernt wurden, und trotzdem hat das der Taube nicht geholfen.